Die Küchenuhr



Das bringt nichts. Sie geht doch immer vor.

Ich will sie auch nicht stellen. Ich schaue auf die Uhr und sie zeigt mir eine Zeit an, die in der Zukunft liegt. Das ist ein Moment, der wird erst in einer halben Stunde geschehen. Bis dahin ist noch so viel Zeit. In dreißig Minuten, da kann sich viel ändern. In dreißig Minuten, da kann alles ganz anders sein und niemand wird wissen, was dann ist.

In dreißig Minuten ist dieser Moment zu Ende. Da ist dein Tee bereits kalt, dann wirst du hier nicht mehr sitzen. In dreißig Minuten ist genau dieses Lächeln, dass du da gerade auf den Lippen hast nur noch Vergangenheit. Und alles was jetzt ist, in diesem Moment in dieser Sekunde, ist gleich darauf Vergangenheit. Und du kannst dann erzählen, was ich gesagt habe, was du gedacht hast, wie er war, dieser Moment, aber der Moment, der Moment ist dann vorbei.

Als ich klein war, habe ich versucht die Zeit zu fangen.

Ich bin mit meinem kleinen Kassettenrekorder durch die Gegend gelaufen und habe die Welt aufgenommen. Den Schnee, der geknirscht hat, wenn ich durch ihn zur Schule gestapft bin. Den Wind, der an meinem Fenster geklappert hat. Wie die schönen Kugeln am Weihnachtsbaum klingen, wenn man sie berührt. Wie das Papier knistert, wenn man es zu einem Flieger faltet. Wie es klingt, wenn meine Eltern im Wohnzimmer sitzen und leise reden, während ich im Bett liege. Wie mein Opa leise schnarcht, wenn er im Auto schläft. Um die Zeit zu fangen. Um den Moment zu fangen.

Aber genau damit habe ich den Moment getötet.

Ich war so beschäftigt damit, ihn zu halten, dass ich ihn nicht mehr gelebt habe. Du kannst den Moment nicht leben, wenn du ihm nur hinterherrennst. Damit machst du ihn kaputt.

Ja die Erinnerung, die habe ich schon. Die Erinnerung und ich kann sie mir immer wieder ansehen, wenn ich es will. Aber es ist nie die Erinnerung an den Moment, sondern nur daran, wie ich ihm hinterhergerannt bin.

Also nicht an den Moment erinnern, sondern daran, dass der Moment vergänglich ist.

Und das ist traurig.

Weil ich so gerne mal auf Pause drücken würde, wenn es schön ist. Oder den Moment in ein Glas packen und rausholen, wenn ich will.

Aber wenn du das könntest, dann gäbe es keine Momente mehr. Zeit ist vergänglich. Darum leben wir. Weil Zeit wertvoll ist. Wir wollen sie nutzen. Deshalb entstehen Momente. Nur dadurch sind sie besonders.

Die Uhr ging schon immer falsch.

Aber jetzt habe ich erkannt, dass sie richtig so ist.

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